Elternbrief des Staatsministers für Kultus Christian Piwarz
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Eltern,
die notwendigen Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie stellen uns alle vor vollkommen neue Herausforderungen. Seit 18. März 2020 sind Sachsens Schulen geschlossen - eine noch nie dagewesene Situation. Seither werden unsere Schülerinnen und Schüler von ihren Lehrerinnen und Lehrern mit Aufgaben versorgt, um von zu Hause aus zu lernen.
Mir ist bewusst, dass Sie als Eltern in diesen Tagen in besonderer Weise gefordert sind. Sie sind selbst in Ihrem Beruf im Einsatz oder arbeiten zu Hause. Gleichzeitig betreuen Sie Ihre Kinder und unterstützen Ihre Kinder dabei, motiviert die Lernzeit zu Hause zu bewältigen. Dafür danke ich Ihnen herzlich.
Gleichzeitig danke ich Ihnen für das breite Verständnis im Zuge der Schließungen unserer Schulen und für die Kreativität, die es ermöglicht, dass der Unterricht aus der Ferne funktioniert. Die Anfragen und Berichte, die mich aus ganz Sachsen erreichen, zeichnen ein sehr unterschiedliches Bild, wie gut es an den einzelnen Schulen gelingt, die Lernzeit zu organisieren.
Bei Fragen oder Unterstützungsbedarf zu den Lernaufgaben können Sie sich direkt an die Schule bzw. an die Lehrkräfte wenden. Diese besondere Zeit kann in gegenseitiger Abstimmung auch für individuelle, auf die Stärken und Schwächen Ihres Kindes bezogene Förderung genutzt werden. Eine gute Kommunikation zwischen Elternhaus und Schule ist jetzt besonders wichtig.
Ich möchte, dass Sie wissen: Sie als Eltern können und sollen den Unterricht der Schule nicht ersetzen.
Ihre Kinder erhalten von der Schule Lernaufgaben. Die momentane Situation erfordert, dass die Aufgaben zu Hause erledigt werden.
Es ist allen bewusst, dass die Bedingungen für das Lernen zu Hause während der Schulschließungen sehr unterschiedlich sind. Das betrifft die technischen Möglichkeiten der einzelnen Schule ebenso wie das Lernumfeld. Und es betrifft die Angebote der Schulen ebenso wie Ihre persönlichen Unterstützungsmöglichkeiten. Deshalb darf es keine überzogenen Forderungen und keinen Leistungsdruck geben.
Wichtig ist, dass Sie den Kindern eine regelmäßige Zeit zum Lernen ermöglichen. Sie sollte sich keinesfalls über den üblichen Unterrichtstag hinaus erstrecken und natürlich kann sich der Familienalltag nicht nach den Unterrichts- und Pausenzeiten der Schule richten.
Bitte motivieren Sie Ihre Kinder, an den Aufgaben dranzubleiben. Geben Sie Ihrem Kind Anerkennung und Zuspruch, wenn es eine Aufgabe geschafft hat. Sie sollen sich nicht in die Rolle des Lehrers begeben, fördern Sie altersangemessen die Selbstständigkeit.
Die Erfüllung des Lehrplanes im verbleibenden Schuljahr steht nicht im Vordergrund. Dafür wird es im nächsten Schuljahr Möglichkeiten zur Aufarbeitung geben. Auch für Schüler am Übergang in weiterführende Schulen wird das berücksichtigt. Schüler der Abschlussklassen erhalten zeitnah einen Brief, der verdeutlicht, wie sie auf dem Weg zu ihrem Abschluss unterstützt werden. An die Abiturienten wurde dieser Brief schon versandt, denn deren Prüfungen beginnen nach gegenwärtigem Stand nach den Osterferien.
Gestatten Sie mir noch ein Wort zum Umgang mit Medien. Das Fernsehen, der Hörfunk und das Internet bieten derzeit interessante Sendungen und Angebote in vielen Bildungsbereichen an. Über Gesehenes, Gehörtes, Gelesenes lässt sich gut austauschen. So kann die Weltsicht Ihrer Kinder erweitert werden. Unter folgendem Link sind gute Angebote aufgeführt: https://www.medienbildung.sachsen.de/digitale-werkzeuge-in-der-unterrichtsfreien-zeit-und-bei-schulschliessungen-5234.html.
Liebe Eltern,
Sie, die Lehrkräfte und alle Verantwortlichen stehen vor den gleichen beruflichen und privaten Herausforderungen. Seien Sie versichert, dass wir die fordernden Umstände der Corona-Krise beim weiteren Lernen in der Schule beachten. Die Lehrkräfte sind bestrebt, Ihre Kinder beim Lernen zu Hause angemessen und altersgerecht zu unterstützen. Sie werden transparente Rückmeldungen zu den erfüllten Aufgaben geben. Zu Fragen der Bewertung möchten wir Ihnen an dieser Stelle noch ein paar Hinweise geben. Sie sind nach Schularten getrennt aufgeführt. Grundsätzlich gilt für alle:
- Die Bewertung von Leistungen liegt in der pädagogischen Verantwortung des Lehrers.
- Die Erfüllung der Lernaufgaben sollte generell durch die Lehrkräfte mit den Schülern ausgewertet und bewertet werden. Die Einschätzung der Lehrkraft kann auch durch eine Selbsteinschätzung des Schülers ergänzt oder ersetzt werden.
- Die Bewertung soll wertschätzend und ermutigend sein und Hinweise für das weitere Lernen enthalten.
- Sensibilität ist auch gefragt, wenn der reguläre Unterricht an den Schulen wiederaufgenommen wird. überzogene Forderungen sind zu vermeiden.
Grundschulen
- In der Grundschule soll auf eine Benotung der erfüllten Lernaufgaben grundsätzlich verzichtet werden. Eine Bewertung der erfüllten Lernaufgaben in Form einer Rückmeldung zum Lernfortschritt und dem jeweiligem weiteren Lernbedarf sollte in jedem Fall erfolgen.
- Die Würdigung beispielsweise von Lernbereitschaft, Zielstrebigkeit, Initiative, Kreativität, Sorgfalt bei der Erfüllung der Aufgaben kann in die Kopfnoten der Schüler einfließen. Dies ist im Sinne einer ermutigenden Erziehung zu nutzen und nicht zum Nachteil der Schüler einzusetzen.
- Lernaufgaben in der Grundschule sollten in erster Linie der Sicherung der erarbeiteten Grundlagen dienen. Neue Lerninhalte, insbesondere im Anfangsunterricht, können nicht durch die Eltern vermittelt werden.
Oberschulen
- An den Oberschulen sollte auf eine Benotung weitgehend verzichtet werden. Eine Bewertung der erfüllten Lernaufgaben in Form einer Rückmeldung zum Lernfortschritt und dem jeweiligem weiteren Lernbedarf sollte in jedem Fall erfolgen.
- In den Abschlussklassen sollte besonderes Augenmerk auf die schriftlichen und mündlichen Prüfungsfächer gelegt werden. Lehrkräfte mit nicht prüfungsrelevanten Fächern in den Abschlussklassen sollten ihre pädagogischen Aufgaben auf andere Klassenstufen und ggf. Schüler mit besonderem Unterstützungsbedarf konzentrieren.
Förderschulen
- Die Empfehlungen für Grund- und Oberschulen gelten grundsätzlich auch für Förderschulen.
Gymnasien
- An den Gymnasien ist eine Benotung mit Blick auf höhere Klassenstufen zunehmend möglich. Auch bisher werden Aufgaben wie Erstellen von Collagen, Referaten, Facharbeiten, Aufgaben zur Ermittlung des Lernfortschritts oder schriftliche Hausaufgaben im Bereich der sonstigen Leistungen außerunterrichtlich erledigt und von der Lehrkraft bewertet. Die Lehrkräfte werden in der gegenwärtigen Situation die Bewertung mit Augenmaß und hoher Sensibilität unter Berücksichtigung der individuellen Lerngegebenheiten vornehmen.
- Für die Benotung im Kurshalbjahr 12/11 gilt der Erlass vom 17. März 2020, in dem für dieses Schuljahr die Mindestanzahl der Klausuren aufgehoben wurde. Weiterhin können bis zum Ende des Kurshalbjahres 12/11 am 18. Juni 2020 noch Bewertungen in den sonstigen Leistungen ermittelt werden und in die Benotung des Kurshalbjahres 12/11 einfließen. Dies betrifft insbesondere die einbringungspflichtigen Kurse.
Berufliche Gymnasien
- Benotungen von zu Hause erledigten schulischen Aufgaben sind möglich. Auch bisher wird bspw. die Belegarbeit in der Qualifikationsphase außerunterrichtlich erstellt und von der Lehrkraft benotet.
- Im Abiturjahrgang sollte besonderes Augenmerk auf die schriftlichen und mündlichen Prüfungsfächer gelegt werden. Für die Benotung im Kurshalbjahr 13/11 gilt, dass für dieses Schuljahr die Mindestanzahl der Klausuren aufgehoben wurde. Weiterhin können bis zum Ende des Schuljahres am 18.06.2020 noch Bewertungen in den sonstigen Leistungen ermittelt werden und in die Bewertung des Kurshalbjahres 13/11 einfließen. Dies betrifft insbesondere auch die einbringungspflichtigen Fächer. Ob der während der Schulschließung neu vermittelte Unterrichtsstoff bewertet wird, entscheiden die Lehrkräfte.
Fachoberschulen
- Benotungen von zu Hause erledigten schulischen Aufgaben sind möglich. Auch bisher wird bspw. die Facharbeit in der Klassenstufe 12 außerunterrichtlich erstellt und von der Lehrkraft benotet.
- In der Klassenstufe 12 sollten insbesondere die relevanten schriftlichen Prüfungsfächer und die mündliche Prüfung im Fach Englisch im Fokus stehen.
- Sowohl in der Klassenstufe 11 als auch 12 kann das bereits in der Schule Gelernte gefestigt werden und neue Lerninhalte können hinzukommen. Ob der während der Schulschließung neu vermittelte Unterrichtsstoff bewertet wird, entscheiden die Lehrkräfte. Von der Anzahl der durch die Fachkonferenz festgelegten Leistungsnachweise kann im Schuljahr 2019/2020 abgewichen werden.
Berufsfachschule
- Ob der während der Schulschließung neu vermittelte Unterrichtsstoff bewertet wird, entscheiden die Lehrkräfte. Unverschuldete Fehlzeiten, die aufgrund der aktuellen Situation in der berufspraktischen Ausbildung entstehen, gehen nicht zu Lasten des Schülers.
Berufsschule (duale Berufsausbildung, Berufsvorbereitung, Berufliche Grundbildung)
- Der Umfang der häuslichen Aufgaben sollte so bemessen sein, dass die Teilnahme an den Betriebspraktika, soweit diese stattfinden, nicht beeinträchtigt wird. In den Abschlussklassen sollte besonderes Augenmerk auf die Inhalte der schriftlichen Abschlussprüfung gelegt werden. Mit dem Blick auf die Zeit bis zum Schuljahresende ist ein sinnvolles Maß an Noten ins Auge zu fassen, das die besondere Situation berücksichtigt und für die Berufsschüler zu keinen Nachteilen führt. Es ist wünschenswert, dass in möglichst vielen Lernfeldern eine Benotung erfolgen kann.
Fachschule
- Zu deren Aufgaben gehören neben der in der Fachschule zu erstellenden Facharbeit u. a. Referate, schriftliche Hausaufgaben sowie sonstige Leistungen. In den Abschlussklassen sollte besonderes Augenmerk auf die schriftlichen und mündlichen Prüfungslernfelder der Komplexprüfungen gelegt werden. Für Fachschüler, die die Zusatzausbildung gemäß Abschnitt 6 der Schulordnung Fachschule (FSO) absolvieren, sollten zudem die für den Erwerb der Fachhochschulreife relevanten (Prüfungs-) Fächer im Fokus stehen.
- Mit dem Blick auf die Zeit bis zum Schuljahresende ist ein sinnvolles Maß an Leistungsbewertungen ins Auge zu fassen, das die besondere Situation berücksichtigt und für die Fachschüler zu keinen Nachteilen führt. Es ist wünschenswert, dass in möglichst vielen Lernfeldern eine Benotung erfolgen kann. Zu beachten ist, dass der Umfang der häuslichen Aufgaben so bemessen ist, dass die Teilnahme an freiwilligen Praktika in Bereichen der kritischen Infrastruktur nicht beeinträchtigt wird.
Natürlich bewegt Sie die Frage: "Wie geht es nach den Osterferien weiter?" Zu einer sachlichen Beurteilung gehört, die krisenbedingte Entwicklung bis zum Schuljahresende in den Blick zu nehmen.
Derzeit gehen wir davon aus, dass der reguläre Unterrichtsbetrieb nach den Osterferien wiederaufgenommen werden kann. Wir müssen hierzu jedoch auch in den kommenden Wochen täglich eine Einschätzung der jeweils aktuellen Situation treffen. Selbstverständlich sind verschiedene Szenarien vorbereitet, die eine angemessene Reaktion auf sich ändernde Rahmenbedingungen erlauben. Wir halten Sie auf dem laufenden, auch bezüglich der weiteren Fragen, die sich aus der Entwicklung für das laufende Schuljahr ergeben können.
Danke für Ihr Engagement, mit dem Sie Ihre Kinder in dieser herausfordernden Zeit unterstützen. Bleiben Sie gesund.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Piwarz