Oberschüler und Künstler Gunter Demnig verlegen in Bad Lausick Stolpersteine
Bisher war sie namenlos und in Vergessenheit geraten, seit Freitag erinnern die ersten Stolpersteine in Bad Lausick an die von den Nationalsozialisten ermordete jüdische Familie Hirsch. Zu verdanken ist das Schülern der Werner-Seelenbinder-Oberschule.
Bad Lausick. Bisher war sie namenlos und in Vergessenheit geraten, seit Freitag erinnern die ersten Stolpersteine in Bad Lausick an die von den Nationalsozialisten ermordete jüdische Familie Hirsch. Zu verdanken ist das Schülern der Werner-Seelenbinder-Oberschule, die ein Jahr lang die Biografien von Siegmund, Sophie, Fanny, Margarethe, Else und Max Hirsch sowie von Johanna Michaelis, geborene Hirsch, recherchiert und am Freitag zusammen mit dem Künstler Gunter Demnig die Stolpersteine verlegt haben.
Was die zehn mal zehn Zentimeter großen Steine mit den Namen der Opfer der Nationalsozialisten betrifft, war Bad Lausick „bisher ein weißer Fleck“, sagte der stellvertretende Bürgermeister Manfred Hönig bei der Verlegung. „Das grausige Geschehen können wir nicht mehr rückgängig machen, aber wir dürfen diese dunkle Vergangenheit nicht vergessen“, machte er deutlich.
Monatelang haben Katharina Weidner, Hans Müller und ihre Klassenkameraden der 10 a den Schicksalen der Familie nachgespürt. Ursprünglich waren sie von drei Familienmitgliedern ausgegangen. Nach Besuchen im Stadt- und im Staatsarchiv hatten sie dann jedoch neun Namen ausfindig gemacht. „Wobei wir lediglich zu dem Familienvater Siegmund und zu den sechs von sieben Kindern die Schicksale und Verfolgung durch die Nazis rekonstruieren konnten“, wie Weidner sagt. Drei von ihnen gelang noch in den 30er-Jahren die Flucht ins Ausland, der Vater und drei Kinder wurden in verschiedene Konzentrationslager deportiert und dort kurze Zeit später ermordet. Die Recherche verlangte den Schülern einiges ab, „die Schicksale der Familie berühren einen sehr“, erklärte Müller. Bücher und Filme könnten zwar Wissen über die NS-Zeit vermitteln, „aber durch die Schicksale einzelner Menschen wird erst spürbar, wie grausam die Zeit war und welche perfiden Methoden die Nazis genutzt haben, um alle Andersdenkenden zu vernichten“, sagt der Schüler.
Henry Lewkowitz vom Erich-Zeigner-Haus in Leipzig betonte, wie wichtig diese Aufarbeitung sei. „Die Schüler haben konkrete Biografien gefunden und gezeigt, wie die Familie verfolgt worden ist“, sagte er lobend. Doch mit den sieben Stolpersteinen in der Straße der Einheit vor dem Haus mit der Nummer 40 (der letzte frei gewählte Wohnort der Familie Hirsch) sei am Freitag erst ein Anfang in Bad Lausick gemacht worden. „Es hat sich gezeigt, dass es noch mehr jüdische Familien hier gab. Jetzt gilt es, auch ihnen eine würdige Erinnerung zuteil werden zu lassen.“
Die sieben Bad Lausicker Steine gehören zu mittlerweile mehr als 50 000 bundesweit. „Damit sind die Stolpersteine das größte dezentrale Mahnmal der Welt“, erklärt Müller. Der Künstler Demnig war am Freitag selbst in Bad Lausick, Frohburg und Grimma, um die Erinnerungssteine zu verlegen. 1992 hatte er mit dem Projekt begonnen. „Mit den Steinen, auf denen der Name, Geburtsname, die Lebensdaten, das Deportationsjahr und der Ermordungsort stehen, bekommen die Opfer des NS-Regimes ihre Identität zurück“, macht Demnig deutlich. Durch die Platzierung im Boden sei das Vorbeugen zum Lesen der Inschrift als symbolische Verbeugung vor den Toten anzusehen.
Der stellvertretende Bürgermeister Hönig betonte zum Abschluss noch einmal, wie wichtig es sei, die Erinnerung an die zwölf Jahre Schreckensherrschaft wach zu halten. „Gewalt und Hass haben in unserer Gesellschaft nichts zu suchen.“
Von Julia Tonne
Quelle: LVZ online (Artikel veröffentlicht: 06. Mai 2016 15:29 Uhr | Artikel aktualisiert: 07. Mai 2016 14:03 Uhr)